Der Verband IRU (International Road Transport Union) ist eine weltweite Dachorganisation für Verkehrsverbände. So ist auch der BDO in der Mitgliederliste vertreten. (1) Regelmäßig werden durch die IRU Studien zur Personalknappheit in Verkehrsunternehmen veröffentlicht. Zu den Busfahrern (Linie und Reise) berichtet die IRU im Jahr 2023 für Deutschland von 15.000 (10%) unbesetzten Stellen.
Ebenso werden im europäischen Ausland in der Studie hohe Zahlen an offenen Busfahrerstellen benannt. In Spanien sind es 11.000, in Frankreich 9.000 bis 15.000, in Italien 10.000, etc. Die IRU kommt zu dem Schluss, dass sich die Probleme weiter zuspitzen werden. Ohne Verbesserungsmaßnahmen werden in Europa ausgehend von im Jahr 2023 105.000 offenen Stellen für 2028 275.000 unbesetzte Busfahrerstellen prognostiziert. (2)
Gemäß einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts beträgt die Zahl der Fahrer im Bereich ÖPNV für Busse und Straßenbahnen in Deutschland im Jahr 2022 145.000. (3) Das Institut der deutschen Wirtschaft stellte im Jahr 2024 laut Presseartikeln fest, dass »knapp 3.600 Bus- und Straßenbahnfahrerstellen« hierzulande nicht besetzt werden konnten. (4) Aufgrund des hohen Durchschnittsalters von Fahrern (40% über 55 Jahre (2)), soll die Zahl der unbesetzten Stellen in den kommenden Jahren stark ansteigen.
Eine weltweite Analyse zum Thema »Lkw-Fahrer« aus dem Jahr 2023 besagt, dass in Europa 233.000 Fahrerstellen unbesetzt sind. Im europäischen Vergleich zeigt sich somit bei den Lkw-Fahrern das gleiche Problem wie bei den Busfahrern. Im Jahr 2023 sind in Deutschland 31.000 Stellen (7%) nicht besetzt. In Frankreich sind es 22.000, in Polen 29.000, in Spanien 30.000, in Rumänien 23.000, in Italien 22.000, usw. (5) Rechnet man die zuvor erwähnte Information der IRU zurück (7% unbesetzte Stellen), so gibt es allein in Deutschland 443.000 Stellen für Lkw-Fahrer. Weiterhin sagt die Studie aus, dass die Fahrerknappheit ein weltweites Problem ist. Bspw. sollen es in China 2,2 Mio. und in Argentinien 60.000 offene Stellen für Lkw-Fahrer sein. (6)
Zwischenfazit zur Zusammenstellung verschiedener Statistiken zum Thema »unbesetzte Fahrerstellen« ist, dass der Markt für Lkw-Fahrer in etwa dreimal so groß ist wie der für Busfahrer. Jedoch gibt es in beiden Tätigkeitsfeldern international vergleichbare Probleme, die sich in den kommenden Jahren sogar zuspitzen sollen. Demzufolge ist es wichtig, sich auch in anderen Ländern und Branchen nach Maßnahmen umzusehen, um der Fahrerknappheit zu begegnen.
Die IRU beschäftigt sich intensiv mit dem Thema »Fahrerknappheit«. Im Rahmen einer »Road Map« werden für kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume Maßnahmen formuliert, anhand denen die Arbeitsbedingungen für Fahrer verbessert werden. (7) Kurzfristig werden Statistiken zu ursächlichen Faktoren und Trends der Fahrerknappheit erstellt. Erfahrungswerte von erfolgreicher Fahrerakquise sollen über die IRU geteilt werden. Mit Partnern aus der Industrie werden Projekte durchgeführt, um die »Behandlung« von Fahrpersonal zu verbessern. Der Beruf »Fahrer« soll möglichst komfortabel und sicher gestaltet werden. Mittelfristig geht es darum, den mit der Personalgewinnung betrauten Mitarbeitern mittels »Ratgebern (Guidelines)« unter die Arme zu greifen. Zudem werden Lernhilfen an Schulen verteilt, um das Berufsbild bereits jungen Menschen nahezubringen. Ein wichtiger Punkt ist die Berufswerbung bei weiblichen Personen, da eine Vielzahl der Fahrer noch immer männlich ist. Langfristig wird darauf abgezielt, das Image des Berufs »Fahrer« zu verbessern. Hierzu sind Wettbewerbe und Ehrungen zum »besten Fahrer« oder »besten Arbeitgeber« vorgesehen.
Aber nicht nur die IRU, sondern bspw. auch das englische RTITB (Road Transport Industry Training Board) beschäftigt sich mit dem Thema Fahrerknappheit. In Großbritannien fehlen im Jahr 2022 laut RTITB 9,5% ÖPNV-Busfahrer, wobei es in Schottland sogar 14% sind. (8) Nachstehend werden die Punkte erläutert, welche RTITB zu den Fahrerproblemen vorschlägt.
- Der bereits vorhandene Personalstamm soll an das Unternehmen gebunden werden. Um herauszufinden, was den Mitarbeitern wichtig ist, werden Umfragen in der Belegschaft vorgeschlagen. Die Verbesserungsmaßnahmen stehen auf drei Säulen. Erstens geht es um die Anerkennung, welche bspw. durch die Benennung eines »Mitarbeiters des Monats« umgesetzt werden kann. Zweitens sollen neben der Entlohnung Angebote wie Unterstützung bei der Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten, Zusatzversicherung, Pensionen, Mitgliedschaft im Fitness-Studio, etc. ins Leben gerufen werden. Drittens sollen Wege gesucht werden, um die sozialen Kontakte zwischen den Busfahrern herzustellen (Funkgeräte, Betriebsveranstaltungen, Bildung von Teams zur gemeinsamen Betreuung von diversen Projekten und Aktionen).
- Auch bei Busfahrern soll in die Fortbildung investiert werden. Zielsetzung ist, den Fahrern zu vermitteln, dass der aktuelle Job nicht das Ende der Fahnenstange sein muss. Kompetenzen wie Problemlösung, Kommunikation und Zeitmanagement könnten geschult werden. Eine weitere Möglichkeit zur Schulung ist die Ausbildung zum sogenannten Bus-Assessor (Gutachter). Dieser misst die Qualität von Busfahrern und erstellt dazu Berichte. (9) Hierdurch wird Busfahrern eine Aufstiegsperspektive gegeben. Auch im Bewerbungsprozess kann die Möglichkeit zur Schulung als Qualitäts- und Sicherheitsbeauftragter ein wertvolles Argument sein.
- Da sich im Alltag allzu schnell eine Gewöhnung an die Lebens- und Arbeitsbedingungen einstellt, neigen Menschen dazu, die Vorteile des aktuellen Arbeitsplatzes zu übersehen. Busfahrer sitzen nicht permanent am Schreibtisch und schauen auf einen Bildschirm. Sie treffen täglich viele verschiedenste Menschen und helfen ihnen, an ihren Zielort zu kommen. Demnach ist der Job »Busfahrer« abwechslungsreich. Sämtliche Vorzüge (auch sicherer Arbeitsplatz, technischer Anspruch, …) sollten Sie den aktuellen und zukünftigen Fahrern in Form von Kampagnen und auf Ihrer Webseite vermitteln.
- Außer dem zuvor erwähnten »Bus-Assessor« gibt es auch den »Bus-Instructor« (Lehrer). (10) Das RTITB rät dazu, Teile des eigenen Fahrpersonals als »Instructor« fortzubilden. Sei es die Elektrobus-Einweisung, regelmäßige Qualitätsschulungen, das Verhalten bei Unfällen oder sogar verpflichtende Module nach Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz. Der Lehrer im eigenen Unternehmen hat den Vorteil, dass Sie sich nicht nach freien Schulungsplätzen umsehen müssen. Zudem werten die »Inhouse-Schulungen« die Belegschaft und somit Ihr Unternehmen weiter auf.
Unser Rat: Angesichts der sich in Zukunft voraussichtlich weltweit noch weiter verschärfenden Fahrerprobleme sollten Sie sich mit der »Road Map« der IRU (Internationaler Verkehrsverband) auseinandersetzen. Außergewöhnlich ist der Tipp zur Verteilung von Arbeitsmaterialien an Schulen, um eine höhere Popularität des Berufs »Busfahrer« zu erzielen. Außerdem sollen Unternehmen zum Thema Fahrersuche auf »Best-Practice« Fälle der IRU zurückgreifen können. Der angelsächsische RTITB rät dazu, den Fahrern durch Fortbildungen, bspw. als Inhouse-Lehrer, eine »Aufstiegs«-Perspektive zu geben. Außerdem sollten Sie nicht müde werden, Ihren Mitarbeitern die Vorzüge (abwechslungsreich, sicherer Job, technischer Anspruch, …) der Tätigkeit als Busfahrer zu verdeutlichen.
(1) https://www.iru.org/membership/members-directory/bdo
(2) https://www.iru.org/news-resources/newsroom/europes-bus-and-coach-driver-shortage-widens-54-grim-outlook-2028
(3) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/02/PD24_N006_13_62.html
(4) https://www.zeit.de/arbeit/2024-03/fachkraeftemangel-verkehrsberufe-studie-iw-koeln
(5) https://www.iru.org/news-resources/newsroom/half-european-truck-operators-cant-expand-due-driver-shortages
(6) https://www.iru.org/news-resources/newsroom/global-truck-driver-shortage-double-2028-says-new-iru-report
(7) https://www.iru.org/system/files/IRU%20-%20Driver%20Shortage%20fact%20sheet_0.pdf
(8) https://www.rtitb.com/4-ways-to-tackle-the-bus-driver-shortage/
(9) https://www.rtitb.com/academy/bus-assessor-training/
(10) https://www.rtitb.com/academy/bus-instructor-training/
Autor: Hagen Wendlandt
Dieser Artikel stammt aus »Der Grüne Renner – Wendlandt-Beratertipps für Omnibusunternehmer«